Pamela Rendi-Wagner hat eine Nachfolgerin. Die frühere SPÖ-Vorsitzende war bis gestern formal noch außenpolitische Sprecherin des SP-Klubs im Parlament. Nun wurde Petra Bayr auf diese Sprecherinnenfunktion gewählt – und das ist durchaus eine Ansage.
Bayr, von ihren Genossinnen und Genossen "Penny" gerufen, ist seit über zwanzig Jahren äußerst umtriebige entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ und in dieser Funktion rund um den Globus unterwegs. Stets dabei: zwei rote Rollkoffer. Auf der Kurzstrecke ist der Kleine ihr Begleiter, auf Fernflügen ist die größere Version dabei. Fotos davon postet die Rote regelmäßig auf ihrer Facebookseite.
Wo verortet sich die neue Außenpolitik-Sprecherin politisch? "Ich stehe für eine wertegeleitete Außenpolitik, in der Menschenrechte zentral sind", definiert Bayr ihre neue Rolle. Sie möchte auch "eine feministische Außenpolitik machen, etwa im Bereich der reproduktiven Rechte", also dem Recht auf Verhütung, Abtreibung sowie sichere Schwangerschaft und Geburt.
Außerdem soll die SPÖ künftig einen stärkeren Fokus auf vergessene Konflikte wie Myanmar oder Jemen legen. Denn dort würden Menschenrechte tagtäglich verletzt. Die Außenpolitik der SPÖ wird sich künftig verstärkt Themen wie globaler Gerechtigkeit, die Ausbeutung des globalen Südens und den humanitären Folgen der Klimakrise auf den Kontinenten Afrika und Asien widmen. Schließlich bleibt Bayr in ihrer neuen Funktion auch entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ.
Ich habe mir angesehen, was die neue außenpolitische Sprecherin zuletzt in ihren parlamentarischen Anfragen beschäftigte. Es ist ein weites Feld von der Forderung, die türkis-grüne Bundesregierung solle sich für eine Verbesserung der politischen Lage in Nicaragua einsetzen über die Frage, ob österreichische Unternehmen dem Militärregime in Myanmar Waffen liefert oder ob und welche Umweltsünden der Mineralölkonzern OMV im Sudan verübt hat bis hin zum "Cap Town Agreement", einem internationalen Abkommen für verpflichtende Sicherheitsstandards auf Fischereischiffen. Dafür wünscht sich Bayr mehr Einsatz der Bundesregierung. "Laut internationaler Arbeitsorganisation (ILO) arbeiten mehr als 15 Millionen Menschen in der Fischerei auf Schiffen, teils unter ausbeuterischen Bedingungen", ist in ihrer Anfrage zu lesen.
Bayr hat an der Universität Krems einen Master-Lehrgang zu Menschenrechten und einen zu Legal Studies absolviert und sich dabei mit Aids und Menschenrechten sowie mit dem Strafbestand der Verhetzung beschäftigt.
Für Entwicklungspolitik habe sie sich bereits als Jugendliche interessiert, erzählte Bayr kurz nach ihrer Wahl dem FALTER. "Ich war Herausgeberin einer Schülerzeitung, in der ich schon mit 15 Jahren Artikel zu Themen wie einer Flutkatastrophe in Bangladesch oder dem Nahostkonflikt geschrieben habe." Damals begann auch Bayrs politische Karriere, und zwar in den 1980er-Jahren in der Schülerinnen- und Schülergewerkschaft.
Heute ist sie Generalberichterstatterin gegen Rassismus und Intoleranz der parlamentarischen Versammlung des Europarats sowie im Vorstand von "Parliamentarians for Global Action", einem weltweiten Netzwerk von etwa 1.200 Parlamentariern aus 141 Staaten, die in Menschenrechtsfragen aktiv sind.
Spannend wird, wie sich die neue außenpolitische Sprecherin der SPÖ in der Frage der Neutralität und der Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion positioniert. "Ich möchte, dass wir unsere Neutralität, die beinahe schon ein Alleinstellungsmerkmal in Europa ist, nicht weiter aushöhlen, sondern aktiv gestalten", sagt Bayr.
Was den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine betrifft, fordere sie, dass Österreich "einen aktiven Beitrag leistet zur Dokumentation von Kriegsverbrechen in der Ukraine." Sie selbst würde sich einen Waffenstillstand wünschen, sagt Bayr, aber das sei derzeit wohl auf beiden Seiten wenig realistisch. "Wenn ich mit ukrainischen Abgeordneten spreche, dann sagen die mir, wir wollen keinen Waffenstillstand, sondern den Krieg gewinnen."
Nina Horaczek
https://www.falter.at/maily/20230706/die-neue-aussenpolitik-der-spoe