21.51
Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Vorsitzende der österreichisch-lateinamerikanisch-karibischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe. Diese ist relativ rege: Wir treffen uns etwa zweimal im Jahr mit den Botschafterinnen und Botschaftern, die in Wien akkreditiert sind, und tauschen uns zum Beispiel über Fragen von erneuerbarer Energie aus oder über die Frage, wie bilaterale Abkommen weiterentwickelt werden müssten oder betreffend Entwicklungszusammenarbeit.
Gestern hatten wir eine sehr intensive Debatte über die soziale Inklusion, die ja von sehr vielen lateinamerikanischen Staaten betrieben wird – und sehr aktiv betrieben wird. Spannend zu sehen war, dass es eigentlich alle anwesenden Länder ein bisschen anders machen, es ein bisschen anders angehen, unterschiedliche Zielgruppen bei ihren Programmen zur sozialen Inklusion haben – seien es Frauen, seien es Indigene, seien es Menschen, die vom Land in die Städte migrieren –, aber was allen Ländern immer – und das prägt auch fast jede Diskussion, die wir zusammen führen – gemein ist, ist, dass sich die Länder Lateinamerikas sehr dringend Wirtschaftswachstum und dafür Investitionen, unter anderem von Europa und aus Österreich, wünschen.
Ich bin die Letzte, die glaubt, dass aufgrund von Wirtschaftswachstum wirklich Armut beseitigt werden kann, denn es kommt immer auf die Frage an, wie dann der Reichtum, der eventuell generiert wird, verteilt wird, aber trotz alledem wissen wir auch, dass österreichische Firmen nicht gerade die Mutigsten sind, wenn es darum geht, irgendwo im Ausland zu investieren, im Ausland Niederlassungen zu gründen oder im Ausland überhaupt wirtschaftlich aktiv zu sein – vor allem dann, wenn das Ausland weiter entfernt ist, wie das zum Beispiel bei Chile der Fall ist.
Mit diesem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, das uns heute vorliegt, wird es gelingen, etwas ganz Wichtiges zu schaffen, nämlich Rechtssicherheit in Steuerfragen. Wir schließen zum ersten Mal ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Chile ab, und völkerrechtlich spannend daran finde ich, dass wir nicht nur die OECD-Kriterien, was Transparenz und was Amtshilfe betrifft, verwirklichen werden, sondern auch zu einem der ersten Male Elemente des UNO-Musterabkommens zwischen Entwicklungsländern und schon entwickelten Ländern aufnehmen werden und zum Beispiel Besteuerungsregelungen von dort übernehmen werden, was Betriebsstätten, Lizenzgebühren und selbständige Arbeit betrifft.
Ich denke mir, dass dieses Doppelbesteuerungsabkommen sicherlich eine solide Grundlage dafür sein wird, dass sowohl chilenische Firmen möglicherweise Österreich als Headquarter für ihre Aktivitäten im Zentralraum Europas interessant finden könnten, als auch dass hoffentlich vermehrt österreichische Firmen in Chile investieren, in Chile versuchen auch Fuß zu fassen. Und ich hoffe sehr, dass wir mit diesem Doppelbesteuerungsabkommen eine Grundlage für eine Win-win-Situation für beide Länder legen können. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
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