19.51
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über das Kapitel Entwicklungszusammenarbeit im Budget zu reden ist meistens ziemlich unerfreulich, aber: Ha! Heute gibt es die Chance auf eine Wende.
Wir alle haben einen Brief oder ein E-Mail von einerseits der Dachorganisation der Entwicklungsorganisationen und humanitärer Hilfeorganisationen, der Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung, und noch dazu von einigen großen NGOs gekriegt, in dem sie uns ersuchen, doch noch einen Abänderungsantrag hier in der Debatte einzubringen und das Budget für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, sowohl was die ADA, also die Austrian Development Agency, als auch was den Auslandskatastrophenfonds betrifft, doch zu erhöhen. Dieser Antrag wird gerade verteilt. Die Regierungsparteien haben also die Chance, dann am Donnerstag einem Antrag zuzustimmen, mit dem sie ihrem eigenen Regierungsprogramm nachkommen könnten, nämlich in Richtung 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit zu kommen. Das ist zwar ein kleines Schritterl – wir fordern konkret eine Erhöhung von 20 Prozent für ADA und AKF –, aber immerhin wäre es ein Schritt in Richtung Ihres Regierungsprogramms. Das wäre doch etwas. Ich hoffe, Sie sind dann alle dabei, wenn wir am Donnerstag abstimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstätter und Brandstötter.)
Ich möchte diesen Abänderungsantrag der Abgeordneten Petra Bayr, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen einbringen und auch kurz erläutern:
Er ist zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 1034 der Beilagen samt Anlagen, 1157 der Beilagen, und es geht wie gesagt im Kern darum, die Gelder für die Austrian Development Agency und für den AKF jeweils um etwa 20 Prozent zu erhöhen. Das wären dann in Summe 36 Millionen Euro mehr. Diese 36 Millionen Euro sind einerseits dadurch bedeckt, dass das Außenministerium 10 Millionen Euro Rücklagen hat, und darüber hinaus gibt es normalerweise wesentlich mehr Einkünfte aus der KöSt, als veranschlagt ist, auch in diesem Budget veranschlagt ist, und das gemeinsam würde diese Steigerung locker decken.
Der AKF steigt in der Tat, aber er steigt nicht einmal in dem Ausmaß, wie wir ihn heuer überziehen. Wir überziehen heuer also mehr, als er bis 2024 steigt. Das heißt, das ist jetzt nicht gerade die super Spitze des Eisbergs, die wir da erreichen, und es ist echt noch einiges zu tun. Die NGOs, die uns schreiben, führen unter anderem ins Treffen, dass Corona wie ein Brandverstärker wirkt, dass wahrscheinlich sehr bald mehr als eine Milliarde Menschen auf dieser Erde absolut arm sein werden, das heißt, statistisch weniger als 1,6 Euro pro Tag zur Verfügung haben werden, und dass die Armutskrise, gepaart mit der Klimakrise, zu einem Teufelskreis wird, der durch eine sinnvoll gemachte sowohl humanitäre Hilfe als auch Entwicklungszusammenarbeit unterbrochen werden könnte.
Das zum einen – also ich freue mich, wenn Sie diesem Antrag zustimmen.
Zum anderen muss ich auch sagen, dass schon zum Zeitpunkt des Vorliegens des Budgets das Budget nicht mehr stimmt. Wir haben seit vielen Jahren in der Budgetvorschau immer 1,6 Milliarden Euro auf drei Jahre aufgeteilt für die Entschuldung des Sudans. In der Vorschau diesmal ist es sogar schon im Budget für 2022 drinnen mit einem Betrag, der sich in Summe, warum auch immer, wunderlicherweise auf 3,3 Milliarden Euro gesteigert hat, und das von einer Kreditsubstanz, die Ende der Siebzigerjahre ungefähr 75 Millionen Euro war. Es ist also geschafft worden, durch Umschuldungen in Hochzinszeiten und durch Zinseszinsen diese Summe mehr als zu verzwanzigfachen, und jetzt gehen wir her und wollen uns das als Entwicklungszusammenarbeitsgelder ein halbes Jahrhundert später anschreiben.
Zum Antrag der FPÖ sei gesagt: Nicht nur, dass das nicht kommt, was da vorgesehen ist – also wenn Sie zugehört haben: Der Minister hat schon im Budgethearing auf die Frage des Abgeordneten Matznetter, ob wir nächstes Jahr 0,7 Prozent erreichen – laut Vorschau würden wir ja 0,83 Prozent oder so etwas erreichen –, gesagt, dass wir das nicht tun, weil da zwar der Pariser Club im Sommer einen Entschluss gefasst hat, die Sudanentschuldung endlich zu machen, aber nachdem dann ein Militärputsch war, ist diese Entscheidung on hold und wird wohl 2022 nicht kommen. Das sagt auch der Pariser Club. – Also keine Sorge, nicht nur, dass die Entschuldung nicht kommt, auch wenn sie käme, würde das im Budget keinen Cent kosten. Das ist reines Spielgeld, das ist eine reine Abschreibegeschichte. Das ist in den Siebzigerjahren geflossen, das ist tausend Mal abgeschrieben, das ist keine wirkliche Entschuldung mehr, es ist nur eine buchhalterische Geschichte und ist by the way unlauter, weil überhaupt nicht entwicklungspolitisch relevant. Ich weiß, es ist im Rahmen der OECD-Kriterien, es ist im Rahmen der Spielregeln, keine Frage, da sind wir nicht die Bösen, sondern die Bösen sind unter anderem jene, die die Spielregeln machen, aber wir sind halt schon auch jene, die die Spielregeln bis zum Gehtnichtmehr ausreizen.
Zum Schluss noch ein Gedanke: Was auch gerade in der OECD im DAC, also im Development Assistance Committee, diskutiert wird, ist, dass jede Impfstoffspende, die ein Land in ein sogenanntes Entwicklungsland gibt, mit 6,7 Dollar als ODA verbucht werden soll, und zwar – das ist der wirkliche Wahnsinn an der Sache – ohne irgendwelche Kriterien für ein Ablaufdatum zu definieren. Wir dürfen nicht bereits abgelaufene Impfstoffe wohin auch immer exportieren, das ist uns aufgrund von anderen Umständen untersagt, aber wir könnten theoretisch einen Impfstoff, der in drei, vier Wochen abläuft, wohin auch immer schicken und sagen: Juhu, bei uns daheim will keiner Astra Zeneca oder was auch immer, schicken wir es wohin auch immer und rechnen uns das dann pro Dosis mit 6,7 Dollar an. Auch das – nicht böse sein! – ist unlauter, denn bis diese Dosen wirklich dort angekommen sind, wo sie in einen Oberarm injiziert werden, sind sie längst abgelaufen. Das ist einfach auch auf OECD-Ebene zu diskutieren!
Herr Minister, tut mir leid, aber wenn Sie uns im Ausschuss auf Nachfrage sagen, dass Sie natürlich wollen, dass so viel wie möglich ODA-anrechenbar ist, dann glaube ich, dass man das schon wesentlich differenzierter diskutieren muss, als das momentan der Fall ist, denn das, was da mit Budgetkosmetik passiert, ist wirklich, wirklich unmoralisch, unethisch und auch politisch überhaupt nicht sauber. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)