16.35
Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe meinem Vorredner ganz recht, wir brauchen in der Tat mehr Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, aber nicht nur für die internationalen Finanzinstitutionen, die wir heute später noch beschließen werden, sondern auch für die bilaterale. Da ist für Österreich echt noch sehr viel Luft nach oben, sich auch budgetär bewegen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind ungefähr 8 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, die allermeisten von ihnen Frauen und Kinder, sehr viele von ihnen aufgrund von sexuellen Übergriffen traumatisiert. Es gibt schauderhafte Geschichten darüber, dass Mütter vor ihren Kindern vergewaltigt worden sind, dass die Kinder, Mädchen wie Burschen gleichermaßen, vor ihren Müttern vergewaltigt worden sind. Diese Leute sind höchst traumatisiert. Diese Leute brauchen sehr dringend unsere Hilfe, zum Beispiel in Form von juristischer oder politischer Hilfe. Ich glaube, dass das einerseits Anlass dafür sein soll, dass wir uns anschauen, wie gut internationales Recht, auch internationales Kriegsrecht, in dieser Frage funktioniert.
Uns ist klar, es ist an sich verboten, sexuelle Gewalt als Kriegsmittel zu verwenden. Es wird nur ganz, ganz schlecht geahndet; ganz, ganz schlecht vor allem nicht nur bei den Ausführungstätern, bei den Vergewaltigern selbst, sondern in der gesamten Befehlskette ist es kaum möglich, den Tätern Herr zu werden, weil ganz oft Beweise fehlen, die dann wirklich vor Gericht auch verwendet werden können, sei es im Fall der Ukraine der Internationale Strafgerichtshof oder ein eigenes Tribunal, das dafür eingerichtet werden muss.
Es ist einfach total wichtig, auch forensisch gesehen, wirklich haltbare Fakten zu haben, die man vor ein Gericht bringen kann, weil nur dann, wenn es diesen Zugang der Überlebenden zu Gerichten gibt, gibt es auch die Möglichkeit, überhaupt Rechtsmittel zu haben, nur dann – jetzt im Fall des Internationalen Strafgerichtshofes – gibt es die Möglichkeit, zu diesem Opferfonds zu kommen, im Rahmen dessen auch Opfer von sexueller Gewalt, Überlebende von sexueller Gewalt entschädigt werden könnten.
Darüber hinaus braucht es auch – und das auch bei uns in Österreich – Akuthilfe, Akuthilfe für die Überlebenden, sei es in Form von psychologischer, medizinischer, juristischer oder auch sozialer Unterstützung, aber auch – wir wissen, viele Frauen werden bei diesen Vergewaltigungen schwanger – ein Recht auf Zugang zu ihren reproduktiven Rechten und die Möglichkeit, auch eine Abtreibung vornehmen lassen zu können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.) Das ist in vielen Ländern, wie zum Beispiel Polen, von denen wir wissen, dass viele Frauen dort landen, unmöglich, und das sollte nicht unmöglich sein. Das ist aber auch in Österreich zum Teil unmöglich, da kommt es auf die Meldeadresse an, ob es zum Beispiel auch finanzielle Hilfen für eine Abtreibung gibt oder nicht. Also da haben wir einiges zu tun.
Vergewaltigung als Kriegsmittel ist wahrscheinlich so alt wie Vergewaltigungen an sich. Es ist wahrscheinlich das Kriegsmittel, das am abscheulichsten die Demütigung, die Verletzung und die Unterwerfung nicht nur einer individuellen Frau, sondern auch ihrer Familie, auch der Gemeinschaft mit sich bringt. Wir sehen das auch in anderen Gesellschaften, in anderen kriegerischen Auseinandersetzungen, dass es sehr lange und anhaltende Effekte hat.
Wenn ich da zum Beispiel an all die Frauen in Ex-Jugoslawien, die vergewaltigt worden sind, denke oder an die Jesidinnen, die von IS-Kämpfern mehrfach verkauft worden sind pro Tag. Wenn ich an Afghanistan denke – auch ohne Krieg, by the way – und wenn ich an die Ukraine jetzt denke. Also da ist viel zu tun.
Lassen Sie mich aber noch eine generelle Überlegung anstellen: Putin führt diesen Krieg aus unterschiedlichem Kalkül; zum einen aus einem Großmachtkalkül, aus der Überlegung, wieder ein großer, mächtiger, zarengleicher Herrscher zu werden, aber er hat natürlich auch ein anderes Kalkül im Sinn, wenn es darum geht, welche Effekte solche Kriege auf den Westen haben. Da geht es einfach um Instabilität. Da geht es um Destabilisierung, sei es über den Weg der Nahrungsmittelkrise, die er erzeugt, die in weiterer Folge Flucht erzeugen wird, sei es über die Energiekrise, die ganz sicher auch die Klimakrise anheizen wird – ich denke nur an Österreich, wo empfohlen wird, Gas durch Erdöl zu ersetzen –, oder sei es, um die Flucht an sich zu befördern.
Das ist ganz genau das gleiche strategische Mittel, das Putin in Tschetschenien und in Syrien eingesetzt hat, und jetzt setzt er es in der Ukraine ein. Das ist ganz genau das gleiche Kalkül, das seine Vasallenstaaten eingesetzt haben, das etwa Lukaschenka in Belarus eingesetzt hat, indem er Afghanen an die EU-Grenze gekarrt und gesagt hat: Freier Weg in die EU hinein!
Es ist einfach das Kalkül, durch flüchtende Menschen Instabilität zu erzeugen, durch flüchtende Menschen den Ruf nach einem starken Mann zu erzeugen. Das heißt, Putin missbraucht Menschen, um anderswo Ängste zu schüren, und rechtspopulistische Parteien schwimmen auf genau dieser Welle mit, surfen auf dieser Welle und versuchen, dadurch Stimmungsmaximierung zu machen. Das ist schändlich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)
Wer hier die Büttel Putins sind, kommt aber eh nicht überraschend, und so gesehen geht es einfach wirklich nur darum, diese Krise gemeinschaftlich zu überwinden (Abg. Schrangl: Wissen Sie, was auf der Tagesordnung steht?) und zu schauen, dass wir wieder in ein Fahrwasser kommen, in dem Rechtsstaatlichkeit, in dem Demokratie, in dem Rationalität den Ton angeben und nicht Ängste, die von Putin und seinen politischen Vasallen im Westen geschürt werden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)