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Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Barton, auch von meiner Seite herzlichen Dank. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Sie am 27. Jänner des Vorjahres bei der Gedenkkundgebung am Heldenplatz anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages sehr eindringlich und sehr emotional über Ihr Projekt betreffend Maly Trostinec geredet haben, und ich glaube, dass sehr viele der dort zu Hunderten Anwesenden das erste Mal mit diesem Teil unserer Geschichte konfrontiert worden sind, und ich freue mich sehr, dass Ihre Arbeit, die für uns alle sehr wichtig ist, hier heute manifest wird. Das ist sehr schön. Ich danke Ihnen für die lange und kontinuierliche Arbeit dazu. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, NEOS und Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)
Mit der Errichtung einer Gedenkstätte in Maly Trostinec für die ermordeten Opfer des Holocaust kommen wir spät, aber doch – sofern es tatsächlich errichtet wird – dem Einlösen von Verantwortung nach. Ich diskutiere sehr oft mit jüngeren und älteren Menschen über die Frage der historischen Verantwortung, und da höre ich sehr oft: Wir sollten doch endlich einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen!, oder: Ich selbst trage ja keine Schuld, ich war ja nicht dabei!, oder: Wir sollten doch die Vergangenheit endlich ruhen lassen!
Sosehr diese Gefühle und diese Befindlichkeiten zu diesem sehr schwierigen und mit viel Schmerz behafteten Kapitel unserer Vergangenheit auch nachvollziehbar sind, sie sind trotzdem diskussionswürdig bis falsch, würde ich einmal sagen.
Zum einen ist es so, dass moderne Geschichts- und Gedächtniskultur nicht davon ausgeht, dass es einen Schlussstrich unter die Geschichte oder ein Ende der Geschichte gibt. Geschichte ist ein Kontinuum, und wir hier heute beziehungsweise unsere Gegenwart ist ein Produkt genau dieser Geschichte. Es geht auch nicht – ich will nicht sagen: nie!, aber so gut wie nie oder ganz selten – um individuelle Schuld. Natürlich trage ich oder tragen Sie keine Schuld, aber wir tragen gemeinsam bis jetzt und auch bis in die Zukunft Verantwortung für das, was passiert ist. Es wird auch nicht funktionieren, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Ich selbst – und sicher haben viele andere ähnliche Erlebnisse – habe mit circa 18 Jahren das erste Mal Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte in Israel, besucht, und für mich war das unsagbar ergreifend. Und da ist für mich das erste Mal auch die Verantwortung ganz klar geworden. Für all die Ausstellungsstücke dort, wie zum Beispiel für Schilder mit der Aufschrift „Hunde und Juden dürfen hier nicht hinein“, habe ich keine Übersetzungstafeln gebraucht. Das war meine Sprache – eine Sprache, die absolut menschenverachtend mit denen, die damals nicht nur unterdrückt, sondern gedemütigt und auch ermordet worden sind, umgegangen ist.
Der Umgang mit kollektiver Erfahrung und mit der Vergangenheit im Generellen ist komplex und ist schmerzhaft, aber er wird uns nicht erspart bleiben – gerade dann, wenn es schmerzhaft wird! Ich hoffe sehr, dass diese Gedanken und diese Verantwortung sich auch im konkreten Denkmal in Maly Trostinec manifestieren werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, NEOS und Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)
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