Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es sehr fein, dass wir uns mit dem Thema Palmöl auseinandersetzen. Ich selber beschäftige mich vor allem mit einem entwicklungspolitischen und zeitweise mit einem umweltpolitischen Aspekt seit etwa zehn Jahren damit und sehe alle Kritik, die da bis jetzt gekommen ist, total bestätigt. Ich möchte mit dem Bereich anfangen, in dem es die größten Summen an Importen von Palmöl in die EU gibt, nämlich dem Verkehrssektor und den Beimischungszielen, die verpflichtend sind.
Ich habe mich immer und auch auf EU-Ebene für geringere Beimischungsziele eingesetzt. Ich finde es auch gut, dass die Beimischungsziele für 2030 noch weiter gesunken sind, halte aber auch das für einen Kompromiss, der gar nicht notwendig wäre, denn ich glaube, dass wir ganz prinzipiell die Treibhausgasreduktion im Verkehrsbereich mit anderen Mitteln erreichen müssen, zum Beispiel mit einer Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, der pünktlich kommen muss, der komfortabel und verlässlich sein muss.
Ich glaube, dass es niedrigere Emissionsziele für Kraftfahrzeuge, die neu angemeldet werden, geben muss und dass sie andere Ökoklassen haben müssen. Ich denke mir, dass Hybrid und Strom zu favorisieren und zu fördern sind, wo immer es nur geht, und glaube auch, dass gerade unter einem Gesundheitsaspekt zum Beispiel Radfahren und zu Fuß gehen gefördert und mehr beworben werden sollten.
Einerseits denke ich mir, muss für jede Beimischung gelten: zuerst der Teller, dann der Trog, dann der Tank, und zum anderen: Wenn wir uns auf europäischer Ebene dazu durchringen könnten, die verpflichtenden Beimischungsquoten zu eliminieren, dann hätten wir von einem Tag auf den anderen 3,35 Millionen Tonnen weniger jährlichen Import von Palmöl in die EU. Das würde wirklich einen Unterschied machen.
Der Verkehrsbereich ist da also sehr wichtig; und wie gesagt, ich bin davon überzeugt, dass es auch ohne Beimischungen von jeder Art von Agrotreibstoff möglich ist, die Paris-Ziele zu erreichen.
Zum zweiten Bereich, der Ökologie und zur Rolle, die Palmöl dort spielt: Wir wissen, dass Palmöl eine etwa dreimal schlechtere CO2-Bilanz hat als herkömmlich erzeugter fossiler Treibstoff. Das liegt einerseits an den Abholzungen von Primärwäldern oder von Wäldern ganz generell, andererseits auch an Trockenlegungen von Mooren und Torfen. Beides hat zur Folge, dass Lebensräume von Menschen und Tieren geringer und schlechter werden.
Ich selber habe vor einigen Jahren während eines Urlaubs die Möglichkeit gehabt, mir konkret in Malaysia auf Borneo und da einerseits in Sarawak und in der Gegend östlich von Kota Kinabalu anzuschauen, wie denn real Palmölproduktion und Palmölanpflanzung dort erfolgt.
Es gibt in Malaysia zwar ein Umweltschutzgesetz, das vorsieht, dass entlang von großen Flussläufen eine 50 Meter breite Schneise von Wald stehen zu bleiben hat. Das hat für TouristInnen wie mich den ganz positiven Effekt, dass man ziemlich sicher Orang-Utans sieht, weil die Lebensräume von Orang-Utans so dermaßen verknappt werden, dass sie ziemlich sicher ihre Nester unter anderem an den Wasserläufen direkt bauen werden, von wo aus man sie sehen kann.
Es ist aber absolut verrückt. Wenn man da drüber fliegt, sieht man diese dünnen 50-Meter-Streifen und dahinter unendliche Monokulturen von Palmölpflanzen, die das Wasser verschmutzen, die Trinkwassernutzung unmöglich machen, die dazu beitragen, dass Indigene, die dort jahrzehnte-, jahrhundertelang gelebt haben, keinerlei Lebensräume mehr haben.
Ich war jetzt vor Kurzem in Kolumbien. Nicht nur in Malaysien, Indonesien und Afrika, auch in Kolumbien wird mittlerweile Palmöl im großen Stil von Agrokonzernen angebaut. Gerade in Kolumbien ist diese Entwicklung – aufgrund des schwachen Rechtsstaats und der Nichtpräsenz des Staats in vielen Teilen – verbunden mit Vertreibungen, mit Ermordungen von Menschen, die ursprünglich dort ansässig gewesen sind, die ursprünglich das Land bewirtschaftet haben. Dieses Vakuum des nicht vorhandenen Staats wird jetzt von Agrokonzernen eingenommen. Ich appelliere in diesem Zusammenhang, dass wir, wenn wir Freihandelsabkommen unterzeichnen, uns überlegen, welche negativen Konsequenzen diese unter Umständen haben können.
Der dritte Bereich, zu dem ich kommen möchte, ist der soziale Bereich. Die Arbeitsbedingungen – sklavenähnlich gehaltene Menschen, die auf diesen Plantagen arbeiten müssen, Kinder, die arbeiten müssen, Pestizide, die eingesetzt werden, wo den ArbeitnehmerInnen keinerlei Schutzvorrichtungen zur Verfügung gestellt werden – sind evident, ebenso die Vertreibungen – ich habe vorhin schon die Vertreibungen in Kolumbien angesprochen – und Landverluste; das bedeutet aber auch gleichzeitig Einkommensverluste.
Die Menschen haben keine Möglichkeit, ihr bisheriges Einkommen als Subsistenzbauern und -bäuerinnen irgendwie anders zu erwirtschaften. Es kommt zu einer großen Binnenmigration, es kommt zu Entwurzelungen, es kommt zu Kulturverlust vor allem von indigenen Gruppen, und es kommt zu Hunger, weil eben der Boden für die originäre Ernährung der Menschen dort fehlt.
Wir haben zwar ILUC, Indirect Land Use Change – wenn also irgendwo vorher beispielsweise Weizen angebaut wurde, wo jetzt Agrotreibstoffe angepflanzt werden, wandert dafür die Weizenanbaufläche weiter und für den Weizen wird Regenwald abgeholzt –, das ist zwar theoretisch eine nachvollziehbare Methode; es gibt aber weder eine gute einheitliche Berichtspflicht mit Standards, die man einigermaßen nachvollziehen könnte, noch ist es für KonsumentInnen wirklich erkennbar, wo was drinnen ist und vor allem woher es kommt und was dafür hat weichen müssen.
Es gibt viele Länder, die ein System der Kapitalisierung der Natur haben, die zum Beispiel Regenwald ökonomisch bewerten. Brasilien ist dafür ein Beispiel. Da sagt man: Wenn wir irgendwo auf einer Fläche, die bislang natürlich genützt worden ist, die auch eine wichtige CO2-Senke war, in Zukunft zum Beispiel Agrotreibstoffe anbauen, müssen wir dafür irgendwo anders eine andere Landfläche nutzen und schützen. Das bringt aber überhaupt nichts, weil der Nutzen von Naherholungsgebieten ja auch eine Frage der Gegend ist und eine Frage der Nähe zu den Menschen.
Wenn das eine neu geschützte Fläche ist, die so weit weg ist, dass sie nie benutzt werden würde, weil es überhaupt nicht möglich ist, die Rohstoffe von dort herauszubringen, ist das kein Gewinn, sondern wirklich nur ein maximales Profitieren aus natürlichen Ressourcen und kann nicht in unser aller Sinne sein.
Wir wissen natürlich, dass Palmöl wesentlich ertragreicher ist als etwa Raps. Aus einem Hektar Palmölpflanzen lassen sich fast 3,7 Tonnen Öl produzieren, aus einem Hektar Rapspflanzen hingegen nur 1,33 Tonnen. Klar, die Renditen sind bei Palmöl wesentlich höher, aber das darf einfach nicht der alleinige Gradmesser sein, weil es auch um etwas anderes als um Renditen geht. „Net olles wos an Wert hot, muas a an Preis hobn“, hat einmal ein bekannter Österreicher gesungen, und da hat er vollkommen recht.
Der vierte Bereich, mit dem ich mich beschäftigen möchte, ist die Frage der Gesundheit. Da ist das Palmöl auch ein bisschen ein Beispiel dafür, wie es gelingen kann, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Es war sinnvoll und eine medizinisch gute Idee, zu schauen, dass es zur Substituierung von Transfetten kommt, nur war das leider ein Einfallstor für Palmöl. Auch wenn nicht nachgewiesen ist, dass Palmöl in Kosmetika oder in Nahrungsmitteln gesundheitsschädlich ist, ist es trotzdem so, dass der Konsum von gesättigte Fettsäuren – und Palmöl ist eine solche – an sich nicht besonders gesund sind. Das heißt, es wäre auch wichtig, da eine für KonsumentInnen nachvollziehbare, wirklich einheitliche Bewertung dazu haben, damit sie wissen, wo Palmöl und damit gesättigte Fettsäuren drinnen sind.
Zum Schluss der Bereich der Entwicklungspolitik: Hier möchte ich auf das Kohärenzgebot verweisen, das wir einerseits im Entwicklungszusammenarbeitsgesetz haben, das aber auch in Artikel 208 des Vertrags von Lissabon festgeschrieben ist. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir mit unserer europäischen und österreichischen Politik keine Ziele verfolgen, die entwicklungspolitische Ziele konterkarieren, sondern im Gegenteil, dass wir eigentlich eine Politik machen sollten, die eine nachhaltige globale Entwicklung befördert.
Palmöl ist ein gutes Beispiel dafür, wie das oft nicht passiert. Nicht, dass es mir bekannt wäre, aber es wäre zum Beispiel wirklich fatal, wenn es Exporthaftungen für Firmen geben sollte, die aufgrund von Palmölproduktion oder Palmanbau Geld machen würden. Wir sollten Beimischungsrichtlinien immer so umsetzen, dass die negativen Auswirkungen im globalen Süden möglichst klein sind. Ich fände es sinnvoll, über ein Verbot von Palmöl in Lebensmitteln, Kosmetika und so weiter nachzudenken, denn jedes zweite Produkt, das in die EU importiert wird, beinhaltet in irgendeiner Art und Weise Palmöl. Wir sollten darüber nachdenken, auch das zu verbieten, so wie wir Transfette verboten haben.
Transfette sind für die KonsumentInnen negativ und schädlich. Palmöl hingegen ist für viele andere, nämlich für die ProduzentInnen und für die Menschen, die in den Gegenden leben, in denen es produziert wird, ausgesprochen schädlich. Da hätten wir Handlungsbedarf. Wir könnten wesentlich mehr tun, um Land Grabbing zu verhindern, zum Beispiel schauen – für Pensionsfonds und etliche andere gibt es ja manchmal staatliche Zuschüsse –, dass auf keinen Fall in Gegenden oder in Produkte investiert wird, hinter denen Land Grabbing steckt, das oft in Zusammenhang mit Palmöl Produktion steht.
Es wäre eine gute Chance, die Sorgfaltspflicht für Unternehmen zu stärken und da verbindlichere Richtlinien dafür zu schaffen, wie Menschenrechtsverletzungen, die anderswo begangen werden, auch hier in Österreich geahndet werden können. Wir hätten die Möglichkeit, mit der zweiten Etappe des Beschaffungsgesetzes viel zu tun.
Abgeordnete, Sie müssen zum Schlusssatz kommen, weil Ihre Redezeit ausgeschöpft ist.
Präsidentin Doris Bures : FrauAbgeordnete Petra Bayr, MA (fortsetzend): Wir könnten aber auch mit Boarder Adjustments Tax die heimischen Bauern durchaus vor unlauterer Konkurrenz schützen.
Also ich denke mir, es wäre sehr viel zu tun. Über die NFI-Richtlinie, die auch ein Mittel wäre, werden wir morgen weiterreden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
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